Antisemitismus im Dark Social

Antisemitismus hat in den vergangenen Monaten eine neue Hochkonjunktur entwickelt. Antisemitische Straftaten – online wie offline – sind seit 2015 kontinuierlich gestiegen und erreichten im Zuge der Coronakrise 2020 einen Höhepunkt. Die damit einhergehenden Verschwörungserzählungen machen deutlich, dass judenfeindliche Narrative und Botschaften nach wie vor eine Gefahr für unser demokratisches Zusammenleben sind. Dabei fungieren digitale Netzwerke und insbesondere die „blinden Flecken“ jenseits der Massenplattformen sowohl als Multiplikator für menschenfeindliches Gedankengut als auch als Radikalisierungsbeschleuniger.
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Intersektionalität

Während der Attentäter von Halle Jüdinnen:Juden zum Hauptobjekt seines Anschlags erklärte, wurden in Christchurch Muslime oder in Toronto im Jahr 2018 Frauen zum primären Angriffsziel. Nie aber kommt der Hass auf eine der genannten Gruppen allein. Wer die dahinter steckenden Phänomene des Hasses nur jeweils isoliert betrachten will, übersieht daher einen wesentlichen gemeinsamen Kern. Ob die Terroristen Jüdinnen:Juden, BIPoC, Frauen, Muslime oder LGBTI ins Zentrum ihrer Taten stellen – die bloße selbstbestimmte Existenz der jeweiligen Gruppen wird stets als Angriff auf die vermeintlich naturgegebene Dominanz des weißen, heterosexuellen Cis-Mannes wahrgenommen.

Narrative

Der sog. „Kulturmarxismus“ sowie die Erzählung vom „Großen Austausch“ sind zwei zentrale Narrative, anhand derer sich Intersektionalität gut veranschaulichen lässt. Beide Narrative sind strukturell antisemitisch. Auch wenn sie nicht von Jüdinnen:Juden sprechen, sind sie es, die angeblich jeweils davon profitieren. Während das Narrativ des „Kulturmarxismus“ seinen Ursprung in den USA und das des „Großen Austausches“ in Frankreich hat, sind sie derweil beide global in der neuen Rechten und Verschwörungsszene verbreitet und beliebte Motive.

Kulturmarxismus

Hinter dem Begriff des „Kulturmarxismus“ wird ein konspirativer Versuch verstanden, die amerikanische Kultur und Moral zu zerstören. So hätten die jüdischen Philosophen der Kritischen Theorie nach ihrer Flucht aus Deutschland eine Form des Marxismus entwickelt, die anstelle des ökonomischen Systems die amerikanische Gesellschaft und Kultur angreifen würden. Die Verschwörung kommt dabei von außen und bedroht die eigene Identität und Kultur, um den großen Austausch vorzubereiten. Historisch steht der Begriff in Tradition mit der nationalsozialistischen Propaganda. Seine Verachtung gegen die Moderne und die nicht-deutsche Kultur fasste Hitler unter dem Begriff des „Kulturbolschewismus“ zusammen.

Der große Austausch

Die Verschwörungserzählung des „Großen Austauschs“ hat ihren Ursprung im Buch des französischen Rechtsextremen Renaud Camus “Le grand replacement” von 2001. Er vertritt darin die Ansicht, dass es in Frankreich durch die Einwanderung zu einem Identitäts- und Kulturverlust komme. Er behauptet darin, dass Frankreich in der Gefahr stünde „unter muslimische Herrschaft zu geraten.“ Seither ist er ein Kampfbegriff der neuen Rechten. Die Erzählung postuliert einen geheimen Plan die weiße Mehrheitsbevölkerung gegen muslimische, nicht-weiße, außereuropäische Einwander:innen auszutauschen.
Diskriminierung, Vorurteile oder Feindseligkeit gegenüber Jüdinnen:Juden.
Diskriminierung, Vorurteile oder Feindseligkeit gegenüber Menschen aufgrund ihres Äußeren, ihres Namens, ihrer (vermeintlichen) Kultur, Herkunft oder Religion.
Diskriminierung, Vorurteile oder Feindseligkeit gegenüber Muslim:innen.
Diskriminierung, Vorurteile oder Feindseligkeit gegenüber Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans-, Inter* und queere Menschen.
Diskriminierung, Vorurteile oder Feindseligkeit gegenüber Frauen.

Intersektionalität in den Manifestos*

Autoritäres Denken des weißen hetero-sexuellen Mannes gegen die pluralistische Gesellschaft
Antisemitimus
Misogynie
LGBTQ-Feindlichkeit
Muslimfeindlichkeit
Rassismus
2020
19. Februar
Anschlag in Hanau
Die Texte des Täters enthielten migrant:innenfeindliche, rassistische, frauenfeindliche und antisemitische Äußerungen und wiesen einen Schwerpunkt auf Amerika und Verschwörungstheorien auf.
#saytheirnames
2019
09. Oktober
Anschlag in Halle
Die Texte des Täters enthielten Verweise auf den “großen Austausch” und wiesen antisemitische und frauenfeindliche Darstellungen auf.
#saytheirnames
2019
10. August
Anschlag in Bærum
In seinen Texten bezog sich der Täter unter anderem auf den großen Austausch und leugnete den Holocaust. Er griff eine Moschee an und nannte während seines Prozesses Hitler und den Täter der Anschläge von Oslo/Utøya als seine Vorbilder.
#saytheirnames
2019
3. August
Anschlag in El Paso
In den Texten des Täters hieß es, sein Anschlag sei eine Reaktion auf die ausländische Invasion in seinem Land.
#saytheirnames
2019
27. April
Anschlag in Poway
Der Täter gab an, eine Synagoge angegriffen zu haben, weil er glaubte, dass die jüdische Gemeinschaft sein Land zerstöre. Vor der Schießerei in der Synagoge hatte er erfolglos versucht, eine Moschee niederzubrennen.
#saytheirnames
2019
15. März
Anschlag in Christchurch
Der Täter behauptete, er wolle den großen Austausch bekämpfen. Seine Texte enthielten Elemente von Muslimfeindlichkeit und Misogynie.
#saytheirnames
2018
2. November
Anschlag in Tallahassee
Der Täter hatte es auf Frauen abgesehen, was als frauenfeindlicher Terrorakt angesehen wird. Seine Vorstrafen spiegeln dies wider, und Befragungen von Personen aus seinem sozialen Umfeld zeigen zusätzliche rassistische, LGBTQ-feindliche und antisemitische Überzeugungen.
#saytheirnames
2018
27. Oktober
Anschlag in Pittsburgh
Die Texten des Täters hatten einen antisemitischen Schwerpunkt, und er beschuldigte die jüdische Gemeinschaft, die “Massenmigration” in die USA zu ermöglichen.
#saytheirnames
2018
23. April
Anschlag in Toronto
Der Täter erklärte, dass der Anschlag der “Incel-Rebellion” galt. HINWEIS: Während seines Prozesses sagten Expert:innen aus, dass er nicht wirklich an die “Incel”-Ideologie glaubte, sondern sie nur benutzte, um den Schockeffekt seiner Taten zu erhöhen.
#saytheirnames
2017
7. Dezember
Anschlag in Aztec
Die digitalen Texte des Täters enthielten rassistische, antisemitische, LGBTQ+ -feindliche und islamfeindliche Äußerungen.
#saytheirnames
2016
22. Juli
Anschlag in München
Die Texte des Täters konzentrierten sich auf Menschen mit türkischen und balkanischen Wurzeln. Er implizierte die Erzählung von der Überfremdung, dass Deutschland von einem “Virus” infiziert sei.
#saytheirnames
2015
17. Juni
Anschlag in Charleston
Der Täter behauptete, er habe eine historische schwarze Kirche angegriffen, um die Rassentrennung wieder einzuführen und einen Rassenkrieg anzuzetteln. Seine Texte konzentrierten sich auf schwarze Amerikaner:innen, zeigten aber auch Verachtung für die LGBTQ+ und die jüdische Gemeinschaft.
#saytheirnames
2014
23. Mai
Anschlag in Isla Vista
Der Täter dokumentierte seine Wut auf Frauen. Er behauptete, sie seien schuld an seiner Isolation und sexuellen Frustration, weil sie seine Annäherungsversuche zurückgewiesen hätten.
#saytheirnames
2011
22. Juli
Anschlag in Oslo/Utøya
Der Täter behauptete, er wolle die von den “Eliten” durch den Kulturmarxismus geförderte Überfremdung Europas stoppen.
#saytheirnames
#saytheirnames
Gökhan Gültekin (37) Sedat Gürbüz (30) Said Nessar Hashemi (22) Mercedes K. (35) Hamza Kurtović (20) Vili Viorel Păun (23) Fatih Saraçoğlu (34) Ferhat Unvar (22) Kaloyan Velkov (33) Gabriele Rathjen (72)
#saytheirnames
Jana L. (40) Kevin S. (20)
#saytheirnames
Stiefschwester des Täters (17)
#saytheirnames
Jordan Anchondo (24) Andre Anchondo (23) Dave Johnson (63) Arturo Benavides (60) Angie Englisbee (86) Javier Amir Rodriguez (15) Jorge Calvillo Garcia Juan Velazquez (77) Adolfo Cerros Hernández Sara Esther Regalado Elsa Mendoza Gloria Irma Márquez Maria Eugenia Legarreta Rothe Ivan Filiberto Manzano Maria and Raul Flores (77) Alexander Gerhard Hoffman (66) Luis Alfonzo Juarez (90) Teresa Sachnez (82)
#saytheirnames
Lori Gilbert-Kaye (60)
#saytheirnames
Abdukadir Elmi (70) Abdul Fattah Quasem (60) Ahmed Abdel Ghani (68) Ali Elmadani (66) Amjad Hamid (57) Ansi Alibava (24) Ashraf Ali (58) Ashraf Al-Masri Ashraf Morsi (54) Asif Vora (56) Atta Elayyan (33) Daoud Nabi (71) Farhaj Ahsan (30) Ghulam Husain (66) Hafiz Musa Vali Patel (59) Hamza Mustafa (16) Haroon Mehmood (40) Hosne Ahmed (44) Hussain al-Umari (35) Hussein Moustafa (70) Junaid Kara/Ismail (36) Kamel Mohamad (39) Karam Bibi (63) Khaled Mustafa (44) Linda Armstrong (65) Maheboob Khokhar (65) Matiullah Safi (55) Mohammed Imran Khan (47) Omar Faruk (36) Mohsen Mohammad Al Harbi (63) Mojammel Hoq (30) Mounir Suleiman (68) Mucad Ibrahin (3) Lilik Abdul Hamid (58) Abdus Samad (66) Musa Nur Awale (77) Naeem Rashid (50) Osama Adnan Abu Kweik (37) Ozair Kadir (25) Ramiz Vora (28) Sayyad Milne (14) Sohail Shahid (40) Syed Areeb Ahmed (27) Syed Jahandad Ali (34) Talha Rashid (21) Tariq Omar (24) Zakaria Bhuiya (33) Zeeshan Raza (38) Muhammad Haziq bin Mohd Tarmizi (17) Mohamad Moosi Mohamedhosen (54) Zekeriya Tuyan (46)
#saytheirnames
Maura Binkley (21) Dr. Nancy Van Vessem (61)
#saytheirnames
Cecil Rosenthal (59) David Rosenthal (54) Sylvan Simon (86) Bernice Simon (84) Jerry Rabinowitz (66) Richard Gottfried (65) Danie Stein (71) Rose Mallinger (97) Joyce Fienberg (75) Melvin Wax (88) Irving Younger (69)
#saytheirnames
Ji Hun Kim (22) Geraldine Brady (83) Andrea Bradden (33) Sohe Chung (22) Chul Min (Eddie) Kang (45) Mary Elizabeth “Betty” Forsyth (94) Beutis Renuka Amarasinghe (45) Dorothy Sewell (80) Munir Abdo Habib Najjar (85) Anne Marie D´Amico (30)
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Casey Jordan Marquez (17) Francisco „Paco“ Fernandez (17)
#saytheirnames
Armela S. (14) Sabina S. (14) Sevda D. (45) Can L. (14) Selcuk K. (15) Janos Roberto R. (15) Hüseyin D. (17) Dijamant „Dimo“ Z. (20) Guiliano-Josef K. (19)
#saytheirnames
Clementa C. Pinckney (41) Cynthia Graham Hurd (54) Susie Jackson (87) Ethel Lee Lance (70) Depayne Middleton-Doctor (49) Tywanza Sanders (26) Daniel L. Simmons (74) Sharonda Coleman-Singleton (45) Myra Thompson (59)
#saytheirnames
Cheng Yuan Hong (20) George Chen (19) Weihan Wang (20) Veronika Weiss (19) Christopher Ross Michaels-Martinez (20)
#saytheirnames
Mona Abdinur (18) Maria Maageroe Johannesen (17) Ismail Haji Ahmed (19) Ronja Soettar Johansen (17) Thomas Margido Antonsen (16) Sondre Kjoeren (17) Porntip Ardam (21) Margrethe Boeyum Kloeven (16) Modupe Ellen Awoyemi (15) Syvert Knudsen (17) Lene Maria Bergum (19) Anders Kristiansen (18) Kevin Daae Berland (15) Elisabeth Troennes Lie (16) Trond Berntsen (51) Gunnar Linaker (23) Sverre Flate Bjoerkavag (28) Tamta Lipartelliani (23) Torjus Jakobsen Blattmann (17) Eva Kathinka Lutken (17) Monica Boesei (45) Even Flugstad Malmedal (18) Carina Borgund (18) Tarald Kuven Mjelde (18) Johannes Buoe (14) Ruth Benedicte Vatndal Nilsen (15) Asta Sofie Helland Dahl (16) Hakon Oedegaard (17) Sondre Furseth Dale (17) Emil Okkenhaug (15) Monica Iselin Didriksen (18) Ida Marie Hill (34) Hanne Ekroll Loevlie (30) Diderik Aamodt Olsen (19) Gizem Dogan (17) Henrik Pedersen (27) Andreas Edvardsen (18) Rolf Christopher Johansen Perreau (25) Tore Eikeland (21) Karar Mustafa Qasim (19) Bendik Rosnaes Ellingsen (18) Bano Abobakar Rashid (18) Aleksander Aas Eriksen (16) Henrik Rasmussen (18) Kai Hauge (32) Jon Vegard Lervag (32) Andrine Bakkene Espeland (16) Synne Roeyneland (18) Hanne Balch Fjalestad (43) Ida Beathe Rogne (17) Hanna Endresen (61) Tove Ashill Knutsen (56) Silje Merete Fjellbu (17) Simon Saebo (18) Hanne Kristine Fridtun (19) Marianne Sandvik (16) Andreas Dalby Groennesby (17) Fredrik Lund Schjetne (18) Snorre Haller (30) Lejla Selaci (17) Rune Havdal (43) Birgitte Smetbak (15) Guro Vartdal Havoll (18) Anne Lise Holter (51) Kjersti Berg Sand (26) Isabel Victoria Green Sogn (17) Ingrid Berg Heggelund (18) Silje Stamneshagen (18) Karin Elena Holst (15) Havard Vederhus (21) Victoria Stenberg (17) Eivind Hovden (15) Tina Sukuvara (18) Jamil Rafal Mohamad Jamil (20) Steinar Jessen (16) Espen Joergensen (17) Sharidyn Svebakk-Boehn (14)
* Diese Grafik zeigt die gruppenspezifischen menschenfeindlichen Überzeugungen der 14 untersuchten Täter auf. Sie berücksichtigt nicht nur die zugegebenen und spekulierten Gründe für die Durchführung dieser Angriffe, sondern auch das, was aus ihren Weltanschauungen und Ideologien abgeleitet wurde. Dazu wurden sowohl die Texte und das digitale Verhalten der Täter als auch Sekundärliteratur und Nachrichten analysiert. Bitte beachte, dass die binäre Natur der nachstehenden Kategorien nicht in der Lage ist, zwischen den Stufen der ideologischen Schwere zu unterscheiden, da sie eine Bandbreite von der Reproduktion schädlicher Überzeugungen und Narrative bis hin zu schweren Gewaltaufrufen umfassen.

Taktiken der Täter und Bezug zueinander

Bewusst gewählter Ort

  • Angriffe auf große Menschenmengen mit dem Ziel, möglichst viele Menschen zu töten.

  • Angriffe auf Orte, an denen sich das Hauptziel wahrscheinlich aufhält, z.B. wenn sich die grundlegende Feindseligkeit und der Hass gegen Frauen richtet, wählte der Täter ein Yogastudio als Ziel.

  • Ziele, die widerspiegeln, wer nach Ansicht des Täters für seine Missstände verantwortlich ist und daher seinen Hass verdient, z.B. wenn der ausschlaggebende Misstand die Migration war und der Täter die jüdische Gemeinschaft für die Erleichterung dieses Prozesses verantwortlich machte, zielte der Täter auf eine Synagoge, die an Programmen zur Aufnahme und Unterstützung neu angekommener legaler Migrant:innen teilnahm.

  • Einige Täter nutzten Ego-Shooter Spiele, um Massenerschießungen in Einrichtungen wie Einkaufszentren und Schulen zu simulieren, bevor sie ihren Anschlag verübten.

Bezug der Täter zueinander

  • Digitaler Kontakt zwischen dem Täter des Anschlags von München im Juli 2016 und dem Täter des Anschlags von Aztec im Dezember 2017.

  • Viele Täter verherrlichten und verwiesen oft auf berüchtigte historische Figuren und Angreifer, z.B. Rodgers (St. Elliott), Hitler, Breivik, Crusius, Earnest.

  • Anschläge, die an berüchtigten Jahrestagen früherer Anschläge verübt wurden, z.B. der Anschlag in München 2016 am 5. Jahrestag des Anschlags in Oslo/Utoya 2011.

  • Live-Streaming von Anschlägen über Kopfkameras, um die Wahrscheinlichkeit der Aufdeckung zu erhöhen, den Schockeffekt zu steigern und zu versuchen, andere zu mobilisieren. Nach dem Anschlag in Christchurch 2019 wurde dies auch von anderen versucht.

“Moralische Legitimierung”

  • Sie schreiben ihre Handlungen als Teil eines Aufstandes zu, um ihre Ideologie als von vielen geteilt darzustellen und gleichzeitig andere anzustacheln, sich der “Bewegung” anzuschließen.

  • Sie bezeichnen ihren Angriff als “Tag der Vergeltung”, um die Anwendung von Gewalt gegen diejenigen zu legitimieren, die sie für ihre Missstände und/oder vermeintlichen Missetaten verantwortlich machen.

  • Die methodische Moralisierung der Überzeugungen der Täter durch Dämonisierung der Gemeinschaften, die sie hassen, z.B. soziale Degeneration: Hedonismus, sexueller Verfall, Minderheiten mit großen Familien, die langsam die weiße Mehrheit ersetzen und gleichzeitig unsere Gesellschaft und Wirtschaft zerstören.

Arbeitsdefinitionen der Antisemitismus Formen

Der Analyse liegt die Arbeitsdefinition von Antisemitismus der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA-Definition) zugrunde. Antisemitismus ist demnach “eine bestimmte Wahrnehmung von Jüdinnen und Juden, die sich als Hass gegenüber Jüdinnen und Juden ausdrücken kann. Der Antisemitismus richtet sich in Wort oder Tat gegen jüdische oder nichtjüdische Einzelpersonen und/oder deren Eigentum sowie gegen jüdische Gemeindeinstitutionen oder religiöse Einrichtungen” (IHRA, 2016). Die erhobenen antisemitischen Inhalte wurden in fünf Erscheinungsformen des Antisemitismus kategorisiert, wie sie der Bundesverband RIAS definiert (Bundesverband RIAS: Bericht antisemitisch dokumentierter Vorfälle 2019, S. 25). Oftmals fällt eine Aussage in mehrere dieser Kategorien. Ausgedrückt werden kann der Antisemitismus dabei jeweils offen, strukturell oder chiffriert:

Offen antisemitisch

Offen antisemitisch ist eine Aussage dann, wenn sie den Hass gegenüber Jüdinnen:Juden offen ausdrückt und sich die:der Sprecher:in zu einem entsprechenden Weltbild bekennt. Offen antisemitische Äußerungen sind heute in vielen Kreisen tabuisiert; aus diesem Umstand ist aber nicht darauf zu schließen, dass das entsprechende antisemitische Denken nicht existieren würde.

Chiffriert antisemitisch

Chiffriert antisemitisch kann eine Aussage dann genannt werden, wenn der:dem Sprecher:in der antisemitische Gehalt der Aussage mehr oder weniger bewusst ist, dies aber aufgrund der strafrechtlichen oder gesellschaftlichen Tabuisierung des Antisemitismus verschleiert werden soll, indem etwa von “Zionisten” oder “Globalisten” die Rede ist, um den Begriff des “Juden” zu vermeiden.

Struktureller Antisemitismus

Von strukturellem Antisemitismus wird dann gesprochen, wenn die Sprecher:innen antisemitische Denk- und Argumentationsmuster bemühen, diese aber nicht explizit gegen Jüdinnen:Juden richten. Dies ist bei zahlreichen Verschwörungsmythen der Fall. So ist etwa die Vorstellung, eine kleine Gruppe würde als “Strippenzieher” das Weltgeschehen beeinflussen, historisch-kulturell untrennbar mit explizitem Antisemitismus verbunden und ist daher auch dann strukturell antisemitisch, wenn in einer konkreten Verschwörungserzählung diese kleine Gruppe nicht als jüdisch markiert wird.

Moderner Antisemitismus

Als moderner Antisemitismus wird es bezeichnet, wenn Jüdinnen:Juden eine besondere politische oder ökonomische Macht zugeschrieben wird, etwa im Rahmen von Verschwörungsmythen.

Israelbezogenener Antisemitismus

Im israelbezogenen Antisemitismus wird der Staat Israel mit verschiedenen antisemitischen Stereotypen belegt. Oftmals wird ihm die Legitimität abgesprochen oder Antisemitismus wird ausgedrückt, indem “Israeli” oder “Zionisten” als Chiffre für alle Jüdinnen:Juden weltweit genutzt wird. Auch die Unterstellung, Jüdinnen:Juden seien weltweit mit dem Staat Israel verbunden oder für das politische Geschehen in Israel verantwortlich, ist israelbezogen antisemitisch.

Post Shoa Antisemitismus

Der Post Shoa Antisemitismus (auch: sekundärer Antisemitismus) umfasst die Leugnung, Bagatellisierung und Relativierung der Shoah oder die Behauptung, Jüdinnen:Juden hätten von dem Genozid profitiert. Auch die vehemente Ablehnung der Auseinandersetzung mit der Shoah oder die Forderung nach einem “Schlussstrich” fällt in diese Kategorie.

Othering

Othering umfasst die Markierung und Ausgrenzung von Jüdinnen:Juden als fremd und nicht zugehörig zu einem kollektiven Wir. Ein Beispiel ist die Verwendung von “Jude” als Beleidigung, die eben diese Funktion ausdrücken soll. Die Beleidigung kann dabei auch gegen Nicht-Jüdinnen:Juden gerichtet sein. (Bundesverband RIAS e.V., 2019) Religiös begründete antisemitische Aussagen werden als antijudaistischer Antisemitismus gefasst und beziehen sich oftmals auf die vermeintliche Ermordung Jesu durch Jüdinnen:Juden oder diffamieren Jüdinnen:Juden als Ungläubige.

Antijudaistischer Antisemitismus

Religiös begründete antisemitische Aussagen werden als antijudaistischer Antisemitismus gefasst und beziehen sich oftmals auf die vermeintliche Ermordung Jesu durch Jüdinnen:Juden oder diffamieren Jüdinnen:Juden als Ungläubige.
Nachdem 2019 mehrere Anschläge auf Imageboards angekündigt worden waren und dort Aufzeichnungen der Taten sowie die Bekennerschreiben zirkulierten, entschieden mehrere Internetdienstleister, das Forum “8chan” nicht weiter zu betreuen. In der Konsequenz verschwand es aus dem Netz. “8chan” war die radikalere Variante des weitaus größeren und bekannteren “4chan” und etablierte sich v. a. im Zuge der Gamergate-Kampagne, während der v. a. Computerspiel-Designer:innen und -journalist:innen belästigt, bedroht und verfolgt wurden. “8kun” ist der gerebrandete Nachkomme “8chans”, unterscheidet sich dabei weder inhaltlich noch funktionell von seinem Vorgänger. Das Forum ist inzwischen einer der wichtigsten Treffpunkte für Anhänger:innen der QAnon-Verschwörung sowie radikaler Rechter weltweit. Diese toxische Mischung macht 8kun zu einem geeigneten Untersuchungsgegenstand.
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Nachdem YouTube immer wieder für das radikalisierende Potential seiner Algorithmen kritisiert wurde, verstärkte die Plattform ihre Maßnahmen gegen radikale Inhalte. Immer mehr Akteur:innen waren daher von Deplatforming betroffen, sodass sie gezwungen waren, Alternativen zu etablieren. Früh setzten sie dabei auf Bitchute, eine Video-Plattform, die sich “die freie Rede” auf die Fahne geschrieben hat – und daher kaum gegen menschenfeindliche Inhalte vorgeht. Sie ist vor allem auch im englischsprachigen Raum bekannt, erfreut sich aber auch großer Beliebtheit unter deutschen Fringe-Akteur:innen und Verschwörungsideolog:innen. Seit einiger Zeit zeichnet sich jedoch auch eine verstärkte Nutzung der Plattform Odysee ab. Insbesondere die bessere Usability im Vergleich zu BitChute scheint zu einem Zuwachs deutschsprachiger Akteur:innen zu führen, sodass diese wachsende Video-Plattform ebenfalls in das Monitoring mit einbezogen worden ist.
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Als Messenger-Dienst gestartet, hat sich die Plattform inzwischen zu einer Art sozialem Netzwerk entwickelt. So umfassen die Funktionen mittlerweile u. a. Gruppen, Channels, Reaktionen wie Likes, Kommentare, Sprach-Gruppenchats und eine Share-Möglichkeit für Beiträge. Auch aus diesem Grund wird Telegram von verschiedenen radikalen Akteur:innen als “sicherer Hafen” verwendet, von dem aus auf andere Plattformen verwiesen wird (z. B. YouTube, aber auch BitChute oder Odysee). Insbesondere im Rahmen der Corona-Pandemie haben Verschwörungsideolog:innen verstärkt auf Telegram als Hauptkanal gesetzt. Dies liegt einerseits am relativ konsequenten Vorgehen großer Plattformen gegen Covid-bezogene Desinformation; andererseits aber hatten Rechtsextreme sowie religiös motivierte Extremist:innen schon länger Reichweiten auf Telegram aufgebaut und die Plattform so als Alternative etabliert. Telegram ist unbestritten die wichtigste “alternative” Plattform im deutschsprachigen Raum.
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Das Alpha-Männchen
Feindselig gegen und mit ausgeprägtem Feindbild von v.a. LGBTQ-Gemeinschaften und Frauen. Geringer Mobilisierungsgrad (z. B. Unterstützung physischer Gewalt online).
Der Kampfkünstler
Aus einer Ideologie oder der Mitgliedschaft einer radikalen Gemeinschaft resultierend willens, Gewalt zu trainieren und anzuwenden, um die eigenen Ziele zu erreichen.
Der Onkel
Die Demographie und das digitale Milieu begünstigen die Exklusion bestimmter Menschen, die willens und fähig sind, über bestehende Mittel aktiv zu werden (z. B. Wahlen, Demonstrationen).
Der QAnon Follower
Subkulturelle, ideologische Formierung mit deutlicher Feindseligkeit gegen- über dem bestehenden System. Hoher Politisierungsgrad und fähig zur strategisch geplanten Verschwörung.
Der Suchende
Diverse individuelle psychosoziale Faktoren und die Abwesenheit eines distinktiven Radikalisierungsmilieus resultieren in einer großen Spielbreite ideologischer Radikalisierung sowie des Bereitschaftsgrads, diese in Handlungen umzusetzen.
Der Waffennarr
Feindseligkeit gegen das bestehende System resultiert aus dem Empfinden, von diesem nicht wahrgenommen zu werden. Hat Zugang zu und Wissen über Mittel der Gewaltanwendung. Subkulturelle Identität und strategische Fähigkeiten abhängig vom Grad der Militarisierung und Professionalisierung der jeweiligen Gemeinschaft.
Der wütende weiße CIS Mann
Demographie, genderbasierte Werte und frequentierte digitale Milieus begünstigen gemeinschaftliche Menschenfeindlichkeit. Ausgeprägte Feindbilder dienen als Mittel der Selbstdarstellung als Opfer. Fähigkeit zur Mobilisierung und Propagierung stark radikalisierter Botschaften.
Der Gamer
Das Milieu begünstigt menschenfeindliche Exklusion bestimmter Menschen. Ausgeprägte Feindbilder herrschen vor. Digitale Plattformen dienen zur Koordinierung und Mobilisierung.

Radikalisierungsweg

Umstände Individuelle Psychologie Radikalisierungsmilieu
Männlichkeit & Patriarchat
Männlichkeit & Patriarchat
Binäre geschlechtsspezifische Normen & Erwartungen, wie Frauen bzw. Männer sein sollen und wo ihr Platz in der Gesellschaft ist
Nullsummenspiel
Nullsummenspiel
Sozioökonomischer Rahmen: Gewinne werden nur durch Verluste anderer generiert. Man muss sich entscheiden, ob man im Leben Gewinner oder Verlierer sein will.
Charakteristika & ursprüngliches digitales Verhalten
Charakteristika & ursprüngliches digitales Verhalten
Typischerweise zwischen 25-45 Jahre alt. Selbstwertgefühl ist stark an sein Konzept von Männlichkeit geknüpft. Er strebt danach, die beste Version seiner selbst zu sein. Er sucht online nach Ratschlägen zu: Bewegung, Gesundheit, Produktivität und Beziehungen.
Positive Erfahrungen & Gemeinschaft
Positive Erfahrungen & Gemeinschaft
Positive Erkenntnisse legitimieren für ihn die Manno-Sphäre, ständige Interaktion mit toxischer Männlichkeit, Austausch über “Erfolg” mit Frauen, Kritik an Feminismus und “Beta”-Männern. Zugehörigkeitsgefühl und dadurch Ermutigung zu weiterer Präsenz in Gemeinschaft.
Kognitive Radikalisierung
Kognitive Radikalisierung
Akzeptanz der “so wie es ist”-Ideologie, biologischer Unterschiede und der Notwendigkeit, traditionelle soziale Hierarchie zu bewahren. Das dient als Grundlage für weiteren Tribalismus, Diskriminierung, Othering und Intoleranz.
Erster Kontakt mit der Mannosphäre
Erster Kontakt mit der Mannosphäre
Websites, Blogs, Foren, die Ratschläge und Informationen zur Stärkung von Männerrechten anbieten. Förderung einer antifeministischen/ frauenfeindlichen Männlichkeit. Mit starken Erzählungen von normativen hierarchischen Strukturen und biologischen und anthropologischen Behauptungen von männlicher Überlegenheit und Geschlechterrollen.
Männlichkeit als Einfallstor
Männlichkeit als Einfallstor
Konzepte wie die “Sexual- oder Dating-Ökonomie” beruhen auf Annahme, es sei das Recht des Mannes, die Frau zu unterwerfen; Verschränkung verschiedener Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit z.B. Forderung der Grenzschließung, da “ausländische Männer unsere Frauen erobern”.
Eskalation
Eskalation
Diskurse innerhalb der digitalen Räume der Mannosphäre eskalieren und zapfen verschiedene Systeme des Hasses an. Kulturmarxismus wird oft als treibende Kraft für progressive soziale Bewegungen wie Feminismus oder LGBTQ+-Rechte identifiziert.
Globale populistische Trends
Globale populistische Trends
Polarisierung politischer Ideologien & Zuschreibung von Schwäche gegenüber linken & progressiven Bewegungen (vgl. Begriffe wie snowflake, SJW, Libtard); Welle von “Strongman”-Populismus ermutigt Gesellschaften sich selbst zu schützen, zu positionieren, zu wehren, kompromisslos zu sein.
Männlichkeit als soziales Konzept
Männlichkeit als soziales Konzept
Geschlechterspezifische Normen & Erwartungen schaffen fruchtbaren Boden für eine gewalttätige und aggressive Umgebung, die ihn beeinflusst.
Bestehende Charakteristika
Bestehende Charakteristika
Hatte bereits virtuellen/analogen Kontakt zu extremistischen Gruppen.
Emotionale Induktion
Emotionale Induktion
Bestehende Gefühle wie Wut, Aggression, Frustration, Hass können auf etwas fokussiert werden; das lehrt ihn, sich auf diese Emotionen beim Kämpfen zu verlassen und sie vermehrt in sich zu tragen.
Bestärkende Gewalt
Bestärkende Gewalt
Das “Bezwingen” anderer führt zu Triumphgefühl und ermutigt, diejenigen gewaltvoll zu konfrontieren, die als bedrohlich/ unwillkommen wahrgenommen werden.
Einstieg in Kampfkunst
Einstieg in Kampfkunst
Durch persönliches Interesse/auf Anregung der Gruppe entsteht der Wunsch, zu trainieren, stärker/gefährlicher zu werden, sich zu beweisen und für “das, was kommen wird” bereit zu sein.
Steigendes Engagement
Steigendes Engagement
Legitimität und Einfluss innerhalb der extremistischen Kreise wächst dadurch, dass er sich im Training bewährt und bereit ist, für “die gemeinsame Sache” aktiv zu werden.
Eskalation und Rekrutierung
Eskalation und Rekrutierung
Teilnahme an Gruppenkampfsimulation und Trainings; steigende Gewaltbereitschaft; Präsenz und Einstellung kann andere im Verein/Dojo beeinflussen (besonders, wenn die Einrichtung unreguliert und unbeobachtet ist).
Soziale Veränderungen
Soziale Veränderungen
Progressive Bewegungen (soziale und menschenrechtliche Bemühungen) des 21. Jahrhunderts etablieren sich und gewinnen Einfluss.
Polarisierende Diskurse
Polarisierende Diskurse
Eine Normalisierung der polarisierenden Rhetorik und Identitätspolitik.
Charakteristika und Verstärkende Ideologie
Charakteristika und Verstärkende Ideologie
Älterer Mann (50+), klammert sich an vertraute Ideale und Vorstellungen, die ihm Trost und Stabilität in Zeiten der Veränderung vermitteln; bezieht Stellung gegen progressive Bewegungen um seine Vorstellungen von „normal“ und „richtig“ zu bekräftigen.
Gefühl der Verwundbarkeit
Gefühl der Verwundbarkeit
Nimmt wahr, dass die Gesellschaft auf eine für ihn gefährliche Entwicklung zusteuert, in der sein Wert, seine soziale Stellung im Arbeitsumfeld und in der Familienstruktur abnimmt; fühlt sich unterschätzt und bedroht.
Mobilisiert auf Social Media Plattformen
Mobilisiert auf Social Media Plattformen
Leitet Informationen gerne schnell weiter und verbreitet sie; prüft selten deren Faktizität (z.T. wegen niedriger Vertrauensschwellen oder Schwierigkeiten beim Erkennen von Fake-News); mobilisiert andere und möchte deren politisches Engagement erhöhen.
Präsenz im not-so-dark-social
Präsenz im not-so-dark-social
Erhöhter Medienkonsum und Nutzung von eher bekannten Plattformen; möglicher Umstieg auf kleinere Nischenwebsites oder Blogs.
Wirksame Voraussetzungen
Wirksame Voraussetzungen
“Verfall” der familiären & gesellschaftlichen Struktur, Misstrauen gegenüber politischem Establishment; Verbreitung von Ansichten im Familien- und Freundeskreis wird durch Empfang ähnlicher Nachrichten gefördert; Echokammereffekt stellt diese Überzeugungen als populär dar & unterdrückt andere Verständnisse.
Delegitimierung und Bootstrap-Ideologie
Delegitimierung und Bootstrap-Ideologie
Vergleichende Rahmungen, die die Jugend als faul und undankbar darstellen; deshalb Argumente der Verantwortung und der moralischen Pflicht, die Gemeinschaft oder den Staat vor negativen Einflüssen zu schützen.
Zweifelnde Gesellschaft
Zweifelnde Gesellschaft
Fake News verringern Vertrauen in Institutionen.
Gespaltene Gesellschaft
Gespaltene Gesellschaft
Fortschreitende Polarisierung der Ideologien, politischer Ansätze und Informationsquellen.
Globale Covid-19-Krise
Globale Covid-19-Krise
Verstärkt Panik, Unsicherheit und Misstrauen; macht Menschen empfänglicher für neue Einflüsse; z.T. wird Pandemie als Bestätigung von Q’s “Prophezeiung” gesehen.
Vorhandene Eigenschaften
Vorhandene Eigenschaften
Offen für nicht-wissenschaftliche Erklärungen, alternative Medien, Mystik, und Verschwörungen.
Kognitive Öffnung
Kognitive Öffnung
Sammelt durch verschiedene Plattformen, soziale Medien, Blogs und Podcasts neue Informationen über politische, wirtschaftliche und soziale Veränderungen; obwohl diese Erklärungen schockieren, geben sie Halt.
Kognitive Radikalisierung
Kognitive Radikalisierung
Ideen verfestigen sich, da die Mehrheitsgesellschaft diese ablehnt; ist sich sicher, dass er die Wahrheit verstanden hat und hat Hoffnung auf das, was kommen wird.
Primärer Kontakt zu Q-Anon
Primärer Kontakt zu Q-Anon
Verfügbar auf unterschiedlichen Plattformen; heterogene, lose Community (Schnittpunkt für jede:n); ermutigt zu “Misstrauen” gegenüber Establishment, “kritischem Denken” und “Eigenrecherche”.
Folgt den Brotkrümeln
Folgt den Brotkrümeln
Trifft auf weitere, problematische Q-Konzepte; z.B. elitäre Kabale, Blut trinken, Kindesmissbrauch- und Handel, Trump als vermeintlicher Retter.
Eskalation
Eskalation
“Wir” & “Die” vor dem Hintergrund des religiösen “Gut” vs. “Böse”; Bürger:innen fühlen sich aufgefordert & befähigt Selbstjustiz zu üben (vgl. pizzagate); verschlossen gegenüber Fakten und anderen Perspektiven (“Covid und der Impfstoff waren geplant”).
Wirtschaftskrise
Wirtschaftskrise
Gemeinden kommen zusammen und polarisieren sich weiter, da die wirtschaftliche Not überall zu spüren ist.
Männlichkeit
Männlichkeit
Genderspezifische Faktoren bei Männern: sollen starke Versorger sein; werden angehalten, Gefühle der Schwäche oder Unsicherheit nicht auszusprechen.
Identitäts-suchende Phasen
Identitäts-suchende Phasen
Meist zwischen Lebensabschnitten, bei Verlust von Sicherheit (z.B. durch Jobverlust) oder nach einer Krise auftretend, charakterisiert durch eine neue mentale Flexibilität.
Blame Game & Kognitive Öffnung
Blame Game & Kognitive Öffnung
Gibt anderen Schuld an Gefühlen von Unsicherheit/ Hilflosigkeit & sucht nach Kontrolle, Stärke, Gewissheit. Stößt vermehrt auf angsteinflößende Narrative, die “Wir gegen Die”-Ideologie wird zur Zeitbombe. Die, die er früher für“Übertreiber” hielt, fangen an logisch zu klingen.
In-Group Bias
In-Group Bias
Eventuell reflektiert der Suchende seinen Sinneswandel. Er denkt darüber nach, wie dumm er war, dem Narrativ der korrupten Elite so blind zu folgen. Aber jetzt hat er die Wahrheit gesehen und weigert sich, in die Naivität zurückzukehren.
Erstkontakt
Erstkontakt
Xenophobe, rassistische oder verschwörerische Erklärungen für das Schwächeln der Wirtschaft.
Eskalation und Sündenbocksuche
Eskalation und Sündenbocksuche
Die „Anderen“ werden für „Probleme“ verantwortlich gemacht: Demografiewandel, Chancenmangel, progressive politische Agenden, Verzerrung der eigenen Community, Nation, usw. Im entsprechenden Umfeld wird die Suche nach Selbstbewusstsein & Gewissheit schnell zu Hass & Dominanz.
Emotionalisierung
Emotionalisierung
Unsere Meinungen und Handlungen sind stark von unseren Emotionen geprägt. Diese werden durch Framing und Desinformation verdreht & verstärkt. Deshalb ist „red-pilling“ so effektiv: Wir handeln nicht rational.
Gesellschaftliche Akzeptanz und Geschichte
Gesellschaftliche Akzeptanz und Geschichte
Traditionell starke Waffenkultur; Aufgrund vergangener Anschläge wird Öffentlichkeit kritischer.
Diskurs zur Waffenregulierung
Diskurs zur Waffenregulierung
Dämonisierung von Waffen führt zu strengen Regulierungsvorschlägen; Polarisierung politischer Debatten.
Einfluss der Mehrheits- gesellschaft
Einfluss der Mehrheits- gesellschaft
Mehr Angst und Misstrauen gegenüber “Anderen, Eindringlingen, Flüchtlingsströmen) usw.; Verschwörungen schaffen es in die großen Medien und werden von politischen Schlüsselfiguren verstärkt.
Bestehende Charakteristika
Bestehende Charakteristika
Persönliche Nähe zu Waffen aus Sentimentalität, zum Zeitvertreib oder Sport.
Kognitive Öffnung
Kognitive Öffnung
Sieht Waffenregulierung als schädlich, autoritär und politisch an; nimmt Warnungen von Pro-Waffen-Akteuren ernst und fühlt sich bei Spannungen zwischen Waffenbefürwortern und -gegnern mehr und mehr der Waffen-Community zugehörig; sein Hobby wird zum politischen Kampf.
Kognitive Radikalisierung
Kognitive Radikalisierung
Bedürfnis nach Waffen scheint größer als je zuvor, Waffen als letzte Verteidigung vor tyrannischen Regierung und progressiven Bewegungen ; Nachverfolgung unmöglich durch private Waffenverkäufe und selbstgedruckte Waffen; Milizenbildung.
Primärer Kontext
Primärer Kontext
Offene Community für Waffenliebhaber; Austausch über bspw. Chats, Artikel, Reviews, Blogs, How-tos usw.
Länger andauernder Kontext
Länger andauernder Kontext
Identifiziert Bedrohungen in Bezug auf das Waffenrecht, die Gesellschaft & eigene körperliche SIcherheit; polarisierende Narrative, Nacherzählungen von Anschlägen & Vorschläge zu Waffenregulierung; Angstmacherei vor Staatsgewalt, Ungeschütztheit durch Verlust der Waffe.
Eskalation
Eskalation
Ermutigung durch Community, wachsam zu sein, zu protestieren, zu trainieren, sich einzudecken oder nicht-nachverfolgbare Waffen zu bauen; Bemühungen, sich zu organisieren und zu professionalisieren.
Weiße Vorherrschafts-Kultur
Weiße Vorherrschafts-Kultur
Weißsein wird explizit und implizit begünstigt und Nicht-Weißsein systematisch benachteiligt.
Geschlossene Weltbilder
Geschlossene Weltbilder
Segregierte, homogene Umgebungen führen zu einem Mangel an alternativen Weltanschauungen, keinem Bewusstsein für Privilegien und einer bestimmten Erwartungshaltung.
Kampf um soziale Gerechtigkeit
Kampf um soziale Gerechtigkeit
Forderung eines intersektionalen Ansatzes, um Systeme von Ungleichheit, weißer Vorherrschaft und Privilegien zu erkennen und zu berücksichtigen.
Erziehung & Relative Privilegien
Erziehung & Relative Privilegien
Erziehung brachte ihn zur Überzeugung, dass die Welt auf bestimmte Weise funktioniert, sein Platz in ihr gesichert ist und seine Erwartungen im Leben erfüllt werden. Wahrnehmungen und Erwartungen haben sich als Norm etabliert. Schwierigkeit, eigene Vorteile zu erkennen.
Leugnung & Enttäuschung
Leugnung & Enttäuschung
Nutzt persönliche Herausforderungen & Beschwerden als “Beweis” für Mangel an Privilegien & dafür, dass er es einzig aus eigener Kraft dorthin gebracht hat, wo er heute ist. Desillusionierung & Unzufriedenheit wenn Erwartungen nicht erfüllt werden, bspw. bei Arbeit, Beziehungen.
Selbstviktimisierung
Selbstviktimisierung
Gefühl, dass weiße Hautfarbe, Männlichkeit & christlicher Glaube von lauter werdendem progressivem Gesellschaftsteil dämonisiert werden. Sieht sich selbst als bedroht & benachteiligt. Seine „Verluste“ seien auf Chancen zurückzuführen, die andere ihm “weggenommen” haben.
Erstkontakt & kognitive Öffnung
Erstkontakt & kognitive Öffnung
Wachsender Unmut über Bemühungen, die gewisse gesellschaftliche Probleme beheben sollen: Diversity-Quoten etc.; kognitive Öffnung gegenüber Rhetorik, dass andere aktiv versuchen, ihn aus seiner Position in der Welt zu verdrängen & sich das zu nehmen, was ihm rechtmäßig gehört.
Erzeugung eines Feindbildes
Erzeugung eines Feindbildes
Schuld für Desillusionierung wird auf andere geschoben, z.B. auf Firmen, die Bewerber:innen mit Migrationshintergrund vorziehen; auf männerhassende Feministinnen, die die partriarchalische Familienstruktur stört; auf die LGBTQ+-Gemeinschaft, für die es “langweilig” ist, ein weißer Hetero-Cis-Mann zu sein.
Mobilisierung
Mobilisierung
Als vermeintlich ausgenutzte und zum Bürger zweiter Klasse gemachte Person hat er die Verantwortung, sich gegen die aggressiver werdende progressive Agenda zu wehren und zu beschützen, was ihm gehört, was seinen Eltern gehört und was er an seine Kinder weitergeben will.
Digitalisierung der Gesellschaft
Digitalisierung der Gesellschaft
Allgemeine Verschiebung hin zu digitalen Interaktionen und Verbindungen.
“Geek”-Kultur
“Geek”-Kultur
Selbstidentifikation mit dem Nicht-Mainstream schafft zusätzliche Ebene und verstärkt Trennung in “wir” und “sie”.
Männlichkeit
Männlichkeit
Radikalere, patriarchalische Normen und der in der Gaming-Szene existierende “male-gaze” beeinflussen die Struktur und Machtdynamik der Gaming-Szene.
Charakteristika & deren Verstärkung
Charakteristika & deren Verstärkung
Affinität zu Videospielen; Gefühl der Isolation; mehr Zeit online wo sich leicht Beziehungen herstellen lassen; weniger Zeit mit analogen Kontakten; Gruppe von Lieblingsspielern/-milieus bildet sich heraus; Kameradschaft durch Lächerlich-machen anderer.
In-Group Bias
In-Group Bias
Besorgnis Nahestehender wächst, doch Spieler stellt sich vermehrt vor seine Online-Gemeinschaft.
Kognitive Radikalisierung
Kognitive Radikalisierung
Trägt aktiv zur Toxizität der Szene bei und bringt seine neue gefundene Ideologie auf andere Plattformen und in die reale Welt.
Erstkontakt
Erstkontakt
Ist “politisch inkorrekten” Benutzernamen, Audio-Feeds und Posts ausgesetzt.
Freizeithass und Vorurteile
Freizeithass und Vorurteile
Gegenseitiges Übertrumpfen ermutigt den Gamer dazu weiter zu machen; radikalere Ideen und Vorurteile werden bestätigt durch Empfehlungen von anderen und Neugierde.
Übergang
Übergang
Von passivem Konsum von Hass zu aktivem Beitrag.
* Die im Rahmen dieses Projekts erstellten Personas sind vereinfachte Idealvorstellungen davon, wie eine Person, die sich in diesen verschiedenen digitalen Räumen aufhält, von ihnen beeinflusst werden kann. Wichtige soziale und individuelle Faktoren, die im Laufe der Forschung identifiziert wurden, wurden einbezogen, um den einzelnen Radikalisierungspfaden Nuancen und Kontext zu verleihen. Das Ziel ist es nicht, mit dem Finger auf diejenigen zu zeigen, die einige der Merkmale dieser Personas teilen, noch sind diese Darstellungen als absolut zu verstehen. Vielmehr soll gezeigt werden, dass wir alle unter den richtigen Umständen und Elementen für eine Radikalisierung anfällig sind. Bitte beachte auch, dass die geschlechtsspezifische Sprache, die bei diesen Personen und Wegen verwendet wird, nicht die Möglichkeit der Radikalisierung von Frauen ausschließen soll, sondern die Realität widerspiegelt, dass die große Mehrheit der radikalisierten Personen, unabhängig von Ideologie oder Bewegung, Männer sind.

Eskalationsmodell

Das Alpha-Männchen
Feindselig gegen und mit ausgeprägtem Feindbild von v.a. LGBTQ-Gemeinschaften und Frauen. Geringer Mobilisierungsgrad (z. B. Unterstützung physischer Gewalt online).
Der Kampfkünstler
Aus einer Ideologie oder der Mitgliedschaft einer radikalen Gemeinschaft resultierend willens, Gewalt zu trainieren und anzuwenden, um die eigenen Ziele zu erreichen.
Der Onkel
Die Demographie und das digitale Milieu begünstigen die Exklusion bestimmter Menschen, die willens und fähig sind, über bestehende Mittel aktiv zu werden (z. B. Wahlen, Demonstrationen).
Der QAnon Follower
Subkulturelle, ideologische Formierung mit deutlicher Feindseligkeit gegen- über dem bestehenden System. Hoher Politisierungsgrad und fähig zur strategisch geplanten Verschwörung.
Der Suchende
Diverse individuelle psychosoziale Faktoren und die Abwesenheit eines distinktiven Radikalisierungsmilieus resultieren in einer großen Spielbreite ideologischer Radikalisierung sowie des Bereitschaftsgrads, diese in Handlungen umzusetzen.
Der Waffennarr
Feindseligkeit gegen das bestehende System resultiert aus dem Empfinden, von diesem nicht wahrgenommen zu werden. Hat Zugang zu und Wissen über Mittel der Gewaltanwendung. Subkulturelle Identität und strategische Fähigkeiten abhängig vom Grad der Militarisierung und Professionalisierung der jeweiligen Gemeinschaft.
Der wütende weiße CIS Mann
Demographie, genderbasierte Werte und frequentierte digitale Milieus begünstigen gemeinschaftliche Menschenfeindlichkeit. Ausgeprägte Feindbilder dienen als Mittel der Selbstdarstellung als Opfer. Fähigkeit zur Mobilisierung und Propagierung stark radikalisierter Botschaften.
Der Gamer
Das Milieu begünstigt menschenfeindliche Exklusion bestimmter Menschen. Ausgeprägte Feindbilder herrschen vor. Digitale Plattformen dienen zur Koordinierung und Mobilisierung.
Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit
Feindselige Einstellungen gegen Menschen, die zu bestimmten Gruppen gehören bzw. als zu bestimmten Gruppen zugehörig wahrgenommen werden
Radikale populistische Milieus
Appellieren gegenüber „normalen“ Menschen, dass ihre Anliegen von einem wahrgenommenen Establishment ignoriert würden. Diese Milieus mobilisieren. Sie fordern die Exklusion bestimmter Gruppen, propagieren ausgeprägte Feindbilder und haben evtl. ein revisionistisches Geschichtsbild.
Systemfeindliche Milieus
Feindselig gegen bestehende soziale Normen und die bestehende politische Ordnung, subkultureller Extremismus, willens Gewalt einzusetzen, begrenzte strategische Fähigkeiten
Extremistische Netzwerke & Gemeinschaften
Hoher Politisierungsgrad, bereit, Gewalt anzuwenden, fähig zur strategischen geplanten Verschwörung
Terrorist
Nutzen Gewalt, individuell oder koordiniert, als Mittel für ideologische oder politische Ziele